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Typenserie 2 MP—Redaktionsgebäude E-R im Rundfunkzentrum Nalepastraße Berlin

Umnutzung des Gebäudes und der Fassade unter denkmalgerechten und ökonomischen Gesichtspunkten.

Projektzeitraum:
Typ:
Abschlussarbeit
Profillinie:
Entwerfen ∙ Bauen ∙ Erhalten
Kooperationspartner:
  • SERVISA Baumanagment GmbH

Motivation

„Die Erweiterung von Bestandsgebäuden, aber auch die Ertüchtigung und Umnutzung der bestehenden Bausubstanz hat eine große gesellschaftliche Bedeutung: Bauen im Bestand ist wichtig für den Klimaschutz, den baulichen Denkmalschutz und die Baukultur.“ [architekturmeldungen.de (2023): „Bauen im Bestand“ – Architektur, Bauen und Immobilien]

Berlin als wachsende Stadt begegnet in immer drastisch werdender Weise dem Problem der Flächenknappheit. Der Neubau allein kann aufgrund der nur noch begrenzt vorhandenen Flächen keine Lösung sein; vielmehr ist auch eine effiziente Nutzung der bereits bestehenden Strukturen zur Lösung des Problems unausweichlich. Die Umnutzung bestehender Gebäude angesichts des Klimawandels ist eine umweltfreundlichere Alternative zu Neubauten, da sie den Bedarf an neuen Baumaterialien reduziert. Sanierungsmaßnahmen können Bestandsgebäude energetisch optimieren und somit Umweltauswirkungen minimieren.

Die Herausforderung liegt dabei in der Abstimmung neuer klimaschutzgerechter Anforderungen mit den denkmalrechtlichen Auflagen und der vorhandenen Bausubstanz. Das Spannungsfeld, in dem sich die Nutzung von bestehender Baustruktur bewegt, wird durch diese kurzen Zustandsbeschreibungen offensichtlich: Nicht nur gesellschaftlichen Herausforderungen muss durch die Nutzung von vorhandener Baustruktur begegnet werden. Auch Klima- sowie Denkmalschutz stellen ganz eigene Anforderungen an die Instandsetzung und Nutzung von Bestandsbauten, womit ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko verbunden ist.

Vorgehen

In der vorliegenden Arbeit wurde das Spannungsverhältnis zwischen Nutzungsanforderungen, Denkmalschutz und Wirtschaftlichkeit anhand des Praxisbeispiels „Ertüchtigung des Rundfunkgebäudes des DDR-Rundfunks“ ausgeleuchtet. Die Arbeit fokussiert sich insbesondere auf die Fassade. Dafür wurde die Historie und Konstruktion des Gebäudes beleuchtet und das Gebäude maßlich und stofflich erfasst. Einhergehend ist das Aufzeigen von Untersuchungsmöglichkeiten des IST-Zustandes und die anschließende Zustandsanalyse.  Nachfolgend wurden die Nutzungs- und Konstruktionsanforderungen für den Fall der Umnutzung aufgestellt. Fassadenvarianten wurden ausgewählt und entwickelt. Schlussendlich resultierten die Ergebnisse in einem Vergleich zwischen Erhalt und Neubau der Fassade.

Ergebnisse

Bei dem ehemaligen Rundfunkgelände handelt es sich um einen Plattenbau der Typenserie „2-MP Berlin“ in Stahlbeton-Skelettbauweise aus dem Jahr 1966. Die Längsfassaden werden durch geschosshohe Stahlbeton-Rahmenelemente gegliedert. Unterbrochen wird die ansonsten einheitliche Fassade durch die abweichende Gestaltung der Treppenhäuser mit Glasbausteinen. Der obere und seitliche Abschluss wird durch opake Betonplatten gebildet, welche an den Giebelwänden fortgeführt werden. Die Fassadenelemente sind vorgehängte Fertigteile.

Eine visuelle Untersuchung der Elemente ergab, dass die überwiegende Anzahl der Schäden an den Fassadenplatten wie z. B. Betonabplatzungen augenscheinlich durch karbonatisierungsbedingte Korrosion der Bewehrung verursacht worden ist. Zurückgeführt werden konnte dies auf eine nicht ausreichende Betondeckung (bauzeitlich typisch). Für den Erhalt der Fassadenelemente wäre daher eine Betoninstandsetzung unumgänglich. Dabei ist der Umfang der notwendigen Betoninstandsetzung je nach Zustandsstufe unterschiedlich. Zudem sind die Verankerungen der Fassadenelemente im Einzelfall zu prüfen und zu erneuern. Neben der Instandsetzung der Betonflächen sind die bauphysikalischen Defizite der bestehenden Fassade durch den Einbau neuer Fenster und das Aufbringen einer Innendämmung zu verringern.

Bei der Auswahl geeigneter Fassadenvarianten für den Neubau der Fassade für das ehemalige Redaktionsgebäude fanden die ästhetischen und funktionalen Anforderungen Berücksichtigung. Dabei stand vor allem der Erhalt des Erscheinungsbildes im Vordergrund, um die Realisierbarkeit in Hinblick des Denkmalschutzes auch bei der Errichtung einer neuen Fassade zu ermöglichen. Als Fassadenvarianten wurde eine Pfosten-Riegel-Fassade (PRF) und eine Betonsandwich-Fassade gewählt. Mit beiden Varianten kann die Fassadengliederung des Bestandes aufgegriffen werden.

Vorteile ergeben sich in der deutlichen Verbesserung der bauphysikalischen Eigenschaften, einer höheren Lebensdauer der Fassade und gesteigerten Planungssicherheit in der Bauausführung. Nachteilig ist die erforderliche und nicht gesicherte Zustimmung der Denkmalschutzbehörde und abweichende Materialität im Falle der PRF. Bei der Gegenüberstellung der Kostenschätzungen nach DIN 276 für alle drei Varianten stellt sich der Erhalt der Fassade als kostengünstigste Variante dar. In ähnlichem Preisrahmen befindet sich die Fassade aus Betonsandwichelementen. Die Pfosten-Riegel-Fassade liegt mit einem Δ von ca. 30 % deutlich über den Gesamtkosten der anderen Varianten.

Unter denkmalgerechten und ökonomischen Gesichtspunkten ist unter den bis dato vorliegenden Erkenntnisse die Betonsandwichelement-Fassade als Vorzugsvariante zu empfehlen.

Projektbeteiligte

1. Gutachter

Prof. Andrei Walther

Prof. Dr.-Ing. Andrei Walther

Honorarprofessor für Bauwerksanalytik und Zerstörungsfreie Prüfverfahren
Praxisorientierte Bauwerksanalyse S1

2. Gutachter

Prof. Dr.-Ing. Bernd Schweibenz

Prof. Dr.-Ing. Bernd Schweibenz

Professor für Baubetrieb und Baumanagement
Studienfachberater Bauingenieurwesen (B. Eng.), Bauingenieurwesen Dual (B. Eng.)

Masterabsolventin

Maya Dibbern