Interview
„Crowdfunding braucht Mut – und eine gute Geschichte“ – Interview mit Sophie Gnest von Startnext

Was braucht es, damit eine Crowdfunding-Kampagne im Kulturbereich gelingt? Warum lohnt es sich, auch bei knappen Ressourcen auf die eigene Community zu setzen? Sophie Gnest ist Designerin, Unternehmerin und Crowdfunding-Beraterin bei Startnext. In unserem Weiterbildungskurs „Kulturfinanzierung – Grundlagen, Strategie, Praxis“ gibt sie Einblicke in innovative Finanzierungswege für Kulturprojekte. Im Interview spricht sie über persönliche Learnings, häufige Stolpersteine – und warum Crowdfunding weit mehr ist als ein Geldtopf.
JS: Sophie Gnest, Sie sind seit einigen Jahren als Beraterin bei Startnext tätig. Was fasziniert Sie persönlich am Crowdfunding?
SG: Mich persönlich fasziniert am Crowdfunding, dass viele kleine Unterstützungen ein großes Projekt ermöglichen können und Starter*innen bei uns Projekte realisieren können, die sie alleine nicht so leicht auf die Beine stellen könnten. Außerdem geht es um viel mehr als nur die Finanzierung eines Projektes: Die Kampagne ist ein riesiger Hebel für Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit und kann viel Resonanz in Gang setzen! Denn eine richtig wirksam nach außen kommunizierte Kampagne weckt Neugier, erzeugt Spannung, stärkt und baut die Community rund um das Vorhaben aus. Es geht um die Menschen hinter einer Idee, um echte Emotionen, um Erfolg und ums Scheitern – beides darf sein und ist wichtig, denn Starter*innen können schon in einer frühen Phase durch das Feedback erkennen, wieviel Potential ihr Projekt hat.
JS: Sie haben selbst mit einer Crowdfunding-Kampagne Ihr Unternehmen pack&satt gegründet. Welche Erfahrungen aus Ihrer eigenen Kampagne bringen Sie heute in Ihre Beratung ein?
SG: Ich kann nicht oft genug betonen, wie entscheidend es ist, die Crowd mit auf die Reise zu nehmen, im Vorfeld einen Kommunikationsplan zu erstellen und insbesondere den Kampagnenstart so vorzubereiten, dass zu Beginn möglichst viele unterstützen. Gleichzeitig weiß ich selbst, wie herausfordernd es sein kann, kontinuierlich zu kommunizieren und am Ball zu bleiben, gerade wenn in der Mitte der Kampagne weniger Unterstützungen reinkommen. Im Schnitt braucht es bis zu sieben Ansprachen, bis Menschen von einer Unterstützung überzeugt werden. Durchhaltevermögen zahlt sich zum Ende der Kampagne aus, wenn wieder mehr Menschen unterstützen, da die Zeit knapp wird. Ich kann mich sehr gut in die Starter*innen hineinversetzen, denn es ist einerseits motivierend, die eigene Idee persönlich und transparent nach außen zu tragen. Genau das kann aber auch Zweifel aufwerfen. Ich möchte Starter*innen vermitteln, dass solche Herausforderungen Teil des inneren und äußeren Wachstums und des Crowdfunding-Prozesses sind. Es ist immer wieder so schön für mich zu sehen, wenn Projekte mutig voranschreiten und ich möchte diese mutigen Starter*innen als Projektberaterin bestärken.
JS: Viele Akteur*innen aus dem Kultursektor kennen Crowdfunding, sind aber unsicher, ob es für ihr Projekt die richtige Finanzierungsstrategie ist. Woran erkennt man, ob Crowdfunding geeignet ist?
SG: Crowdfunding ist besonders für Kulturschaffende ein wertvolles und effektives Finanzierungsinstrument. Ob für Veranstaltungsorte, Künstler*innen oder eine Buchreihe gemeinsam Geld gesammelt wird – Kultur lebt immer von der Begeisterung der Menschen. In Zeiten sinkender Kulturförderungen kann eine Crowd die Möglichkeit bieten, Kulturprojekte gemeinsam zu realisieren. Besucher*innen eines Theaterstücks oder Fans einer Indie-Band können schon vor der Realisierung ein Projekt unterstützen, was das finanzielle Risiko für die Kulturschaffenden mindert. So können etwa Tickets für eine Premiere oder eine Kinovorführung bereits vor der Fertigstellung des Filmes verkauft werden. Gleichzeitig bietet Crowdfunding eine hervorragende Möglichkeit, die eigene Geschichte zu erzählen und eine Community aufzubauen.
JS: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen häufig in der Beratung von Kulturprojekten – und wie lassen sich diese überwinden?
SG: Ein aktuelles Problem im Kulturbereich ist die Kürzung von Finanzierungen, was zu einer verringerten Motivation und weniger Sicherheit für Kulturschaffende führt. Besonders herausfordernd ist es, wenn die Zielgruppe nicht zahlungskräftig ist – was bei vielen Kulturprojekten häufiger der Fall ist. Daher sind kreative Ansätze gesucht, um auch weniger zahlungskräftige, oder weitere, engagierte Zielgruppen anzusprechen, wie beispielsweise durch die Einführung von Solitickets oder exklusiven Dankeschön-Angeboten. Zusätzlich wird die begrenzte Reichweite vieler Kulturprojekte zu einer Hürde, weshalb es entscheidend ist, durch gezielte Marketingstrategien, clevere Social-Media-Aktivitäten und strategische Partnerschaften die Sichtbarkeit zu erhöhen und eine breitere Unterstützer*innenbasis zu gewinnen.
JS: Gibt es ein besonders inspirierendes Kulturprojekt, das Sie in letzter Zeit auf Startnext begleitet haben?
SG: Ein aktuelles und besonders inspirierendes Projekt, das ich begleiten durfte, ist Zirkusgarten. Im mitreißenden Pitchvideo zeigen die Starter*innen die Vision des Vorhabens auf persönliche und performative Art und Weise, was Verbindung schafft und motiviert zu unterstützen – ein tolles Beispiel dafür, wie Crowdfunding dazu beitragen kann, kreative und gesellschaftlich wertvolle Projekte zu realisieren.
Das Interview führte Julia Sammler.
Lust auf Weiterbildung?
Sophie Gnest ist ab dem 25. September Teil unserer 5-tägigen Weiterbildung „Kulturfinanzierung – Grundlagen, Strategie, Praxis“. Lernen Sie, wie Sie Ihr eigenes Finanzierungskonzept entwickeln – praxisnah, kompakt und anwendungsorientiert. Zoom-Infoabend am 03. Juni, 18 Uhr.