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Pressemitteilung

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Rainer Schützeichel

Profilbild Rainer Schützeichel

Anlässlich seiner Berufung zum Professor für Architektur- und Stadtbaugeschichte am Fachbereich STADT | BAU | KULTUR hält Prof. Dr. Rainer Schützeichel seine Antrittsvorlesung mit dem Titel „Geschichte als Ressource“.

Kaum etwas definiert den Rahmen für unser tägliches Leben und Erleben so sehr wie Architektur und Städtebau: Wir bewegen uns in den von Stadtplaner*innen gestalteten Räumen, von denen unser soziales Handeln mitgeprägt wird, wir wohnen in von Architekt*innen gestalteten Häusern, ihre Bauten sind Identifikationspunkte: Stadt und Architektur umgeben uns rund um die Uhr und dürfen als eines unserer wichtigsten „Lebensmittel“ verstanden werden.
Diese Omnipräsenz bringt eine große Verantwortung mit sich. Einmal errichtet, sind sie in den meisten Fällen von Dauer – und sollen und müssen dies nicht nur in Anbetracht der aktuellen Ressourcenverknappung auch sein.
Welche Rolle spielt die Geschichte in der Architekturausbildung, wenn alle drängenden Fragen unserer Zeit eher in die Zukunft gerichtet sind? Führt man sich die Tatsache vor Augen, dass jede historische Zeit ihre eigene Gegenwart war, in der die zu gestaltende Zukunft noch im Ungewissen lag, dann erkennen wir: Wir sind nicht die ersten, die nach vorne schauen und sich fragen, wie ein angemessenes, ein maßhaltendes, rücksichtsvolles, nachhaltiges und gutes Weiterbauen möglich sein kann – ein Weiterbauen an der Stadt und an den Häusern, die sich dort zusammengefunden haben.
Diese Erkenntnis eröffnet einen weiteren Weg zur Beantwortung der Frage: Wenn wir zurück in die Geschichte blicken, finden wir Strategien zur Erfüllung komplexer Anforderungen, die inzwischen selbst historisch geworden sind, indes nur in den seltensten Fällen keine Brücke in das Heute zu schlagen erlauben. Auch frühere Zeiten sorgten sich um den Erhalt ihrer Umwelt, hatten Strukturwandel zu bewältigen oder sahen sich mit eklatantem Wohnungsmangel konfrontiert. Ihre Bauten, insbesondere diejenigen aus jüngerer Zeit, stehen uns nicht bloß als „fossile Gehäuse ausgestorbener Gesellschaftsorganismen“ (Gottfried Semper) gegenüber, sondern sprechen zu uns. Sie legen Zeugnis ab von den Veränderungen und Überformungen, die sie im Laufe der Zeit erfahren haben, welche sich bei genauem Hinsehen als baulicher Ausdruck dahinterstehender Planungsmaximen zu erkennen geben.
Wenn die Stadt – und mit ihr die Werke der Architektur – als Palimpsest, als Überlagerung von verschiedenen Zeitschichten, gelesen und verstanden wird, öffnet sie uns den Blick in die Vergangenheit ebenso wie in eine mögliche Zukunft. An dieser Stelle wird auch die Bedeutung der Geschichte in der Architekturausbildung deutlich: Die kritische Lektüre der Vergangenheit erschließt eine Ressource der Wissensproduktion und kann das historische Handlungswissen in die Gegenwart führen.

Zur Person

Prof. Dr. Rainer Schützeichel
ist Architektur- und Städtebauhistoriker. Im Anschluss an sein Architekturstudium an der FH Köln und der TU Wien war er Redakteur der Zeitschrift des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten. Nach Abschluss des postgraduierten MAS-Studiums „Geschichte und Theorie der Architektur“ an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich war er am dortigen Institut für Geschichte und Theorie der Architektur sowie zuletzt am Institut für Denkmalpflege und historische Bauforschung in Lehre und Forschung tätig. Zudem war er Gastdozent für Geschichte und Theorie der Stadt und der Architektur an der Hochschule München. 2016 promovierte Rainer Schützeichel an der ETH Zürich, die Dissertation ist im darauffolgenden Jahr mit dem Theodor-Fischer-Preis des Zentralinstituts für Kunstgeschichte ausgezeichnet worden. Seit dem Wintersemester 2022/23 ist er Professor für Architektur- und Stadtbaugeschichte an der FH Potsdam.

Antrittsvorlesung
Wann:
23.01.2023, 18:00 Uhr
Ort: Haus D / Raum 011
Online: Live-Stream via Zoom

Die Antrittsvorlesung ist öffentlich. Interessierte sind herzlich willkommen. Im Anschluss an die Vorlesung gibt es im Foyer einen kleinen Empfang