Interview
30 Jahre ZEW: Prof. Dr. Susanne Freund über Wege in die Archivwissenschaft

Im Interview erklärt Prof. Dr. Susanne Freund unter anderem, wie der Masterstudiengang „Archivwissenschaft“ und „Archive im Informationszeitalter“ an der FH Potsdam entstanden sind, was die Programme einzigartig macht und welche Erfolgsgeschichten sie bereits miterleben durfte.
MT: Als wissenschaftliche Leiterin haben Sie zahlreiche Programme, wie den Masterstudiengang „Archivwissenschaft“ oder „Archive im Informationszeitalter“ konzipiert. Was war für Sie der prägendste Moment oder die größte Herausforderung bei der Entwicklung dieser Programme?
SF: Die größte Herausforderung war sicherlich die Überführung der ursprünglich postgradualen Fernweiterbildung für Hochschulabsolvent*innen, die berufsbegleitend in zwei Jahren das Archivdiplom erwerben konnten, in den Weiterbildungs-Masterstudiengang Archivwissenschaft. Im Zuge der Umsetzung des Bolognaprozesses konnten wir einen sechs Semester umfassenden Studiengang entwickeln, der explizit diese Klientel als Zielgruppe anspricht. Der Studiengang startete mit 24 Teilnehmenden zum Wintersemester 2007/08. Wir eröffnen alle zwei Jahre einen neuen Kurs und die Nachfrage ist stetig gestiegen, weshalb die Studienjahrgänge teilweise mit 35 Studierenden belegt werden. In den Jahren 2015 und 2023 konnte das Studienangebot erfolgreich re-akkreditiert und dementsprechend inhaltlich weiterentwickelt werden.
MT: Was macht Ihre Weiterbildungsprogramme so besonders und wie heben sie sich von anderen Angeboten auf dem Markt ab?
SF: Die Fachhochschule Potsdam bietet als einzige Hochschule in der gesamten Bundesrepublik ein archivfachliches Studium an. Dies betrifft sowohl den Bachelorstudiengang im Direktstudium, die Fernweiterbildung Archiv für Fachangestellte für Medien und Informationsdienste als auch den Weiterbildungs-Master Archivwissenschaft. Dieser ist eine besonders attraktive Alternative für Bewerber*innen, die bereits ein Hochschulstudium abgeschlossen, teilweise promoviert haben und bereits in Archiven arbeiten, zur verwaltungsinternen Laufbahn der Archivschule Marburg. Wir haben somit eine Monopolstellung der berufsbegleitenden Archivqualifizierung, die für diese Zielgruppe existenziell ist. Nur mit dem Erwerb des Masterabschlusses haben die Studierenden eine Chance auf unbefristete Führungspositionen. Bei erfolgreichem Abschluss steht den Absolvent*innen der Arbeitsmarkt offen. Denn vor allem die einschlägige Qualifizierung im Bereich der digitalen Archive und digitalen Langzeitarchivierung am Fachbereich Informationswissenschaft genießt in der Fachcommunity hohe Anerkennung.
MT: Gibt es besondere Erfahrungen oder Erfolgsgeschichten von Teilnehmer*innen Ihrer Programme, die Sie inspiriert haben?
SF: Ja sicherlich, die gibt es. Viele unsere Absolvent*innen haben Karriere gemacht, so zum Beispiel Dr. Stefan Schröder, der seit 2017 Referent für kommunale Archivberatung und Privatarchivpflege beim LWL-Archivamt für Westfalen in Münster und bei uns als Dozent tätig ist. Auch die Frauen konnten nach dem Masterabschluss durchstarten. So trat zum Beispiel Rebecca Hernandez Garcia 2019 die Nachfolge der langjährigen Leiterin des Archivs der Robert Havemann Gesellschaft in Berlin an. Seit Kurzem ist sie Geschäftsführerin der Gesellschaft. Die Archivleitung hat jetzt ebenfalls ein Absolvent von uns, Christoph Stamm, inne. Das sind nur einige Beispiele von etlichen Erfolgsgeschichten, die ohne den Masterabschluss nicht möglich gewesen wären.
MT: In einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt und bei sich wandelnden Lernverhalten – wie stellen Sie sicher, dass die Programme, die Sie entwickeln, den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden?
SF: Wie gesagt, der Weiterbildungs-Masterstudiengang wird regelmäßig re-akkreditiert und damit ist gewährleistet, dass die Inhalte stetig an die aktuellen Erfordernisse angepasst werden. Für den Fachbereich Informationswissenschaften ist das aber ohnehin selbstverständlich. Schließlich sind wir immer am „Puls der Zeit der Digitalisierung“, so dass auch das Programm „Archive im Informationszeitalter“, das seit 2008 in Kooperation mit dem Weiterbildungszentrum der FU Berlin durchgeführt wird, heute natürlich anders aufgebaut und inhaltlich gestaltet ist. Ein großes Thema wird künftig der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Archiv sein; auch hierfür werden wir Formate entwickeln und in unsere Weiterbildungsangebote implementieren.
MT: Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre für die Programme, die Sie leiten? Wird es neue Kurse geben, und auf welche Themen dürfen wir uns freuen?
SF: Der Transfer zwischen Theorie und Praxis findet in allen unseren Weiterbildungsangeboten auf hohem Niveau statt, da die Teilnehmenden ihre Praxiserfahrungen in die Diskussion einbringen. Zum anderen sind alle Dozierenden aufgrund des stetigen Austausches in der Archivcommunity immer auf dem neuesten Forschungsstand, sodass eine Win-win-Situation von Studierenden, Teilnehmenden und Lehrenden besteht. Besonders freue ich mich, dass es gelungen ist, gemeinsam mit der ZEW und der Vereinigung der Wirtschaftsarchivare und Wirtschaftsarchivarinnen e.V. ein neues Weiterbildungsprogramm auf den Weg zu bringen, das am 10. Dezember startet. Das Programm ist für Wirtschaftsarchive, in denen oft Quereinsteiger*innen tätig sind, ein wichtiger Baustein der archivfachlichen Fortbildung. Damit wird unser Portfolio um ein wichtiges Element erweitert und die Fachwelt wird es freuen, denn qualifiziertes Personal wird dringend benötigt! Inhaltlich werden digitale Archive und die digitale Langzeitarchivierung, aber auch die interdisziplinäre Vernetzung und schlussendlich wie bereits erwähnt KI neue Weiterbildungsprogramme prägen. Es liegen noch viele Herausforderungen vor uns, aber darin liegt ja auch der Reiz einer dynamischen Hochschule mit einem professionellen Weiterbildungsprogramm!
Das Interview führte Mustafa Turna.