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Auslandssemester an der Seinäjoki University of Applied Sciences (SeAMK) – Bachelor Kulturarbeit

Franja berichtet hier von den Erfahrungen im Auslandssemester an der Partnerhochschule Seinäjoki University of Applied Sciences (SeAMK) im Wintersemester 2022/23 im Studiengang Kulturarbeit (B. A.).

Format:
Studium
Einrichtung:
Seinäjoki University of Applied Sciences (SeAMK)
Zeitraum:
-
Fachbereich:
Fachbereich STADT | BAU | KULTUR

Franjas Erfahrungen

Die Entscheidung

Ein Auslandssemester ist im Studienverlaufsplan des Studiengangs Kulturarbeit fest vorgesehen, auch wenn es keine Pflicht ist. Nach einer Infoveranstaltung des International Office habe ich mich Anfang 2022 dann trotzdem, recht überstürzt mit der Möglichkeit ein Semester im Ausland zu studieren, auseinandergesetzt. Schnell war mir klar, dass ich diese Chance gerne nutzen würde. Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe nie woanders gelebt und hatte, bis auf einige wenige Reisen ins Ausland, keine Auslandserfahrungen. Für mehrere Monate im Ausland zu wohnen und dort die Kultur, die Menschen, das Universitätssystem, die Sprache und den Alltag kennenzulernen würde also eine neue Erfahrung sein. Gerade mit meinem Studiengang sah ich auch für mein zukünftiges Berufsleben viele Chancen darin, ein Land auf diese Art und Weise kennenzulernen. Die Wahl des Landes ergab sich mehr oder weniger von selbst. Italien fiel raus, weil ich dafür schon vor einigen Semestern einen Sprachkurs hätte belegen müssen, da dort die Unterrichtssprache Italienisch ist. Amsterdam und Brünn in Tschechien waren mir zu nah an Deutschland und da blieb fast nur noch Finnland. Ich war noch nie nördlicher als Sylt und so dachte ich "Na gut, ohne diese Möglichkeit würde ich wahrscheinlich eher nicht nach Finnland reisen, warum also nicht so ein eher untypisches Land für ein Auslandssemester?". Das Angebot der FH in Seinäjoki gefiel mir am besten und so bewarb ich mich für die Seinäjoki University of Applied Sciences.

Die Vorbereitungen

Der Bewerbungsprozess verlief recht unkompliziert. Die Bewerbung für das Erasmus+ Programm bestand aus einem Motivationsschreiben, meinem Lebenslauf, dem Leistungsnachweis meiner bisher absolvierten Semester und einem Sprachnachweis für das B2 Englisch-Level (hier reichte noch mein Abizeugnis, ich musste also keinen extra Sprachtest machen). Da ich mich wie nur wenige andere für das Wintersemester 2022 bewarb (und nicht wie eigentlich im Studienverlaufsplan vorgesehen für das Sommersemester 2023), hatte ich gute Chancen angenommen zu werden, was auch passierte. Anschließend wurde ich an der Hochschule in Finnland (SeAMK) nominiert. Nachdem ich auch dort angenommen wurde, wurde ich sehr gut und regelmäßig von der SeAMK informiert. Auch bei Angelegenheiten wie ein eventuell nötiges Visum oder eine Unterkunft wurde ich über die Hochschule informiert, was mir sehr geholfen hat, denn wenn man all das auf Websites eines fremden Landes herausfinden soll, ist man schnell überfordert. Ich habe vorher aus Zeitgründen keinen Sprachkurs besuchen können, weder für Englisch noch für Finnisch. Es wäre auch nicht nötig gewesen, ich hätte es allerdings trotzdem gern gemacht, um schon mal einen kleinen Einblick in die finnische Sprache und Kultur zu bekommen. Ein Visum musste ich nicht beantragen. Als EU-Bürger*in darf man 90 Tage am Stück in Finnland bleiben. Da ich während meines Aufenthalts kurzzeitig in Tallinn (Estland) war, wurde danach neu von 0 gezählt.

Die Unterkunft

Die Suche nach einer Unterkunft war zum Glück sehr unkompliziert, was erleichternd war, wenn man den Wohnungsmarkt von Berlin und Potsdam gewohnt ist. Über die Hochschule wurde ein Studierendenwohnheim empfohlen, welches direkt gegenüber des Campus lag. Ich lebte mit zwei weiteren Auslandsstudentinnen aus Kenia zusammen, mit denen ich mich nach einer kurzen, etwas komplizierten Kennenlernphase sehr gut verstand. Jede hatte ihr eigenes Zimmer (Bett, Schreibtisch, Regal und Kleiderschrank hat man für 15€/Monat dazu gemietet), die Küche, die Toilette und das Bad mit Dusche haben wir uns zu dritt geteilt. In dem Wohnheim gab es jedoch auch viele andere Wohnungsmodelle. Die meisten lebten zu zweit und haben sich nur die Küche geteilt, hatten also jeweils ein Bad für sich. Dafür waren diese Zimmer aber auch deutlich teurer (mein Zimmer hat ca. 260€ gekostet). Es gab außerdem Einzelzimmer und extra Apartments für Familien. Sich mit fremden Menschen ein Bad und die Küche zu teilen, bringt natürlich ein gewisses Risiko, in meinem Fall hatten wir drei aber ähnliche Vorstellungen was das Zusammenleben und Sauberkeit betraf und so habe ich mich schnell sehr wohl gefühlt. Ein letzter Punkt zum Studiwohnheim, der noch erwähnt werden sollte, ist allerdings die Ausstattung. Als wir ankamen, gab es nicht einen Teller in der Küche und wir mussten uns für die nicht mal vier Monate alles kaufen. Aber auch das war je nach Wohnung unterschiedlich.

Das Studium an der Hochschule

Die ersten zwei Tage waren sogenannte "orientation days". Uns wurde der Campus gezeigt, wir haben uns einen Campusaccount inklusive E-Mailadresse eingerichtet, uns wurde das Intranet vorgestellt. Einige finnische Studis der Studierendenvereinigung "SAMO" haben sich vorgestellt und haben uns Fragen beantwortet und wir haben unsere Dozierenden kennengelernt. Die Organisation war wirklich sehr gut und ich habe mich dadurch sehr willkommen und gut aufgehoben gefühlt. Der Studiengang an der SeAMK hieß "Gateway to cultural management", ich hatte also erwartet, dass hier der Fokus auf dem Management liegt und der Studiengang nicht so breit aufgestellt ist, wie der der Kulturarbeit an der FHP. Ich wurde allerdings schnell überrascht von den Inhalten der Kurse, die ich belegt hatte. Vor meinem Aufenthalt wusste ich wenig über Finnland, was ich allerdings immer wieder gehört hatte, war, dass es eines der besten Schulsysteme der Welt hat. Ich habe mich also auf Struktur, viel Input und strenge Prüfungen eingestellt. Schon nach wenigen Tagen merkte ich, dass genau das Gegenteil der Fall war. Wenn ich ehrlich bin, war ich eher unter- als wie erwartet überfordert, auch wenn ich volle 30 ETCS absolviert habe. Es wird viel Wert auf Zusammenarbeit gelegt, was ich grundsätzlich gut finde, mir fehlte jedoch die Anleitung und die Struktur extrem. Es wurde kaum theoretischer Input vermittelt, wir sollten oftmals Dinge ohne Vorkenntnisse umsetzen. Das war überraschend und ungewohnt.

Alltag und Freizeit

Die Lebenshaltungskosten sind in Finnland höher als in Deutschland, das hat man vor allem im Supermarkt gemerkt. Da Finnland durch das kältere Klima wenig selbst anbauen kann, muss viel Obst und Gemüse importiert werden, was sich anhand der Preise widerspiegelt. Auch Essen gehen ist sehr teuer, Freizeitangebote (Kino, Konzerte, Club, ...) waren jedoch vergleichbar mit Deutschland. Größere Strecken innerhalb Finnlands kann man sehr gut und unkompliziert mit der Bahn zurücklegen, hier gab es 50% Rabatt für Studierende und ich fand die Preise sehr fair und das Streckennetz gut ausgebaut. Um in die wunderschönen entlegenen Seenlandschaften und Nationalparks zu gelangen, muss man sich aber meist ein Auto mieten. Ich und die meisten anderen Erasmus-Studierenden sind für das Semester für 35€ der Studierendenvereinigung SAMO beigetreten. Dadurch bekommt man eine Art Studierendenausweis, mit dem man Rabatte wie eben bei der Bahn, in einigen Restaurants, Clubs oder Geschäften in ganz Finnland bekommt. Auch die Angebote des Unisports konnten dadurch komplett ohne zusätzliche Kosten genutzt werden. Ich fand das System des Unisports sehr gut. Man musste sich nicht für die Kurse anmelden, sondern konnte einfach vorbeikommen und somit verschiedenste Sportarten einfach mal ausprobieren. Von Yoga über Fußball bis Kampfsport ist alles dabei. Und wenn man in Finnland ist, gehört es natürlich dazu, regelmäßig in die Sauna zu gehen. Das ist quasi der National"sport".

Fazit und Tipps

Ich bin sehr dankbar für die Zeit in Finnland und kann es nur allen empfehlen ins Ausland zu gehen. Es war spannend, eine andere Hochschule kennenzulernen und sich sowohl mit den finnischen Studierenden als auch mit den anderen Erasmus-Studis über das Lehren und Lernen ihrer Heimatländer auszutauschen. Die Finnen*Finninnen gelten als sehr zurückhaltend, das kann ich definitiv bestätigen. Es war wirklich schwer Finnen*Finninnen kennenzulernen, selbst, wenn man es bewusst und aktiv versucht hat. Da ich mit über 90 Erasmus-Studierenden vor Ort war, hatte ich aber genug andere Menschen um mich herum, die ich kennenlernen durfte. Es war für mich anfangs definitiv eine Überwindung Menschen einfach anzuquatschen (vor allem auf Englisch!), es hat sich aber gelohnt! Es war wahnsinnig wertvoll, so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen kennenzulernen. Ich habe dadurch viel über Europa, Finnland und im Vergleich dann auch Deutschland gelernt. Ich glaube es ist wichtig, sehr offen in den Austausch zu gehen und nicht direkt abgeschreckt zu sein. Die Auslandskoordinatorin der SeAMK sagte am ersten Tag zu uns "Wenn ihr das Verhalten oder Aussagen einer Person, die ihr hier kennenlernt, komisch findet, dann haltet kurz inne und fragt euch, ob es wirklich an der Person oder vielleicht eher an einem kulturellen Unterschied liegt." Wenn man offen bleibt, können wundervolle Gespräche, Freundschaften und Erlebnisse entstehen, die man sonst vielleicht verpasst hätte.