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Aufarbeitung der gewaltförmigen Konstellation im Martinstift (Moers)

Das Forschungsprojekt zielte auf eine systematische Erhebung und Auswertung der Erfahrungen beteiligter Akteure*Akteurinnen hinsichtlich der Aufarbeitung der gewaltförmigen Konstellation im evangelischen Alumnat Martinstift in den 1950er Jahren.

Blick auf Gebäude des Martinsstifts im Jahr 1958
© Privatbesitz Fruzsina Müller
Projektzeitraum:
Typ:
Forschungsprojekt
Kooperationspartner:

Bergische Universität Wuppertal

Finanzierung:
Evangelische Kirche im Rheinland, Kirchenkreis Moers, Kirchengemeinde Moers, Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe

Hintergrund und Erkenntnisinteresse des Forschungsprojekts

Im evangelischen Schülerheim Martinstift im niederrheinischen Moers wohnten in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre etwa 70 Jungen im Alter von 10 bis 20 Jahren. Sie besuchten das nahe gelegene Gymnasium Adolfinum und sollten im Martinstift – fernab des Elternhauses – ein "von christlicher Hausordnung geregeltes Gemeinschaftsleben" führen. Erzieher:innen standen jedoch nur wenige zur Verfügung; die meisten waren zudem ohne eine entsprechende Qualifizierung. Manche setzten sich bei den Jugendlichen mit Gewalt durch.

Leiter des Schülerheims war seit 1952 der studierte Pharmazeut und Gymnasiallehrer Johannes Keubler. Das von ihm errichtete Gewaltregime aus brutalen körperlichen Strafen und sexuellem Missbrauch konnte er fast drei Jahre lang aufrechterhalten. In einem Prozess am Landgericht Kleve wurde er im Mai 1956 wegen "Misshandlungen und sittlichen Verfehlungen" an zahlreichen Schülern zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

Das Forschungsprojekt zielte auf die Aufarbeitungsgeschichte der gewaltförmigen Konstellation im Martinstift ab: Es zeichnet die Entwicklungslinie des kirchlichen Umgangs seit den 1950er-Jahren bis in die jüngste Vergangenheit nach und fragt, wie die heutigen Nachfolgeorganisationen mit der institutionellen Verantwortung für die Geschehnisse umgehen.

Ein weiteres Ziel der Untersuchung war es, aufzuzeigen, wie die Akteure*Akteurinnen mit der Gewalt im Martinstift nach ihrem Bekanntwerden umgingen. Wurden die betroffenen Kinder, Jugendlichen und ihre Eltern informiert? Welche Maßnahmen wurden eingeleitet, um einen ähnlichen Fall zu vermeiden? In welcher Art und Weise ist die Erinnerung an die damalige Gewaltkonstellation und an die damaligen Bewohner*innen gesichert?

Das Forschungsprojekt untersuchte dabei auch, welche Rahmenbedingungen die Etablierung und Aufrechterhaltung der gewaltförmigen Konstellation im Martinstift ermöglichten. Insbesondere stellt sich die Frage nach der institutionellen Einbettung des Schülerheims in die Strukturen und Eigenheiten der Inneren Mission (heute Diakonie) der evangelischen Kirche: Welche Verantwortung kamen der Trägerorganisation und den dortigen Führungspersonen zu – nicht zuletzt den Vorstandsmitgliedern Otto Ohl und Eduard Kaphahn, die zugleich hochrangige Vertreter des rheinischen Landesverbandes und des Central-Ausschusses für Innere Mission waren?

Kontakt

Projektleitung

Prof. Dr. phil. Friederike Lorenz-Sinai

Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai

Professur für Methoden der Sozialen Arbeit und Sozialarbeitsforschung
Vorstandsmitglied von OFEK e.V. – Beratungsstellen bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung
Mitglied der deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) und der deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)

Projektmitarbeiterin

Svenja Bluhm

Svenja Bluhm, M. A.

Akademische Mitarbeiterin im Projekt P³Dual

Projektbeteiligte – Bergische Universität Wuppertal