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Rückblick

Ist der Ruf erst ruiniert… Reallabor "Soziale Arbeit in Deutschland und Tschetschenien" auf Exkursion in Armenien

Straßenszene in Armenien
© FH Potsdam

Der gute Ruf einer Familie in traditionellen Gesellschaften ist unmittelbar verknüpft mit der sozialen Sicherheit ihrer Mitglieder. Das macht die Arbeit von Sozialarbeiter*innen zu einer besonderen Herausforderung.

Damit befasst hat sich das Reallabor von Marit Cremer in zwei intensiven Semestern gemeinsam mit Aktivistinnen der tschetschenischen Frauenrechtsorganisation "Women for Development" und Studierenden der Sozialen Arbeit aus Tschetschenien.

Wie finden Sozialarbeiter*innen den Zugang zu traditionellen tschetschenischen Familien, wenn die Außenwelt nichts von deren zum Teil massiven Problemen, wie häuslicher Gewalt, Suchtkrankheiten und Kindeswohlgefährdung, erfahren darf, weil die Familien von anderen Mitgliedern der Gesellschaft sonst aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen werden? In wöchentlichen Online-Sitzungen haben sich die Teilnehmenden dieser Frage angenähert, dabei auch Tabus auf tschetschenischer Seite, wie queere Lebensweisen, angesprochen und verhandelt, Interviews mit Expert*innen geführt und tschetschenische Migrant*innen zu ihren Erfahrungen in Deutschland befragt.

Die geplante Bildungsreise nach Tschetschenien wurde wegen des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine unmöglich. Jedoch konnten uns die tschetschenischen Teilnehmenden mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes im Juli in Potsdam besuchen. Für zwei von ihnen war es die erste Reise nach Europa, das gar nicht so "unmoralisch" daherkam, wie die russische Propaganda seit Jahren auf allen Kanälen behauptet. Am meisten in Deutschland beeindruckt habe ihn, so Magomed, dass die Privatsphäre geachtet wird, egal, wie sich jemand kleide oder im öffentlichen Raum bewege.

Beim Besuch sozialer Einrichtungen, wie dem Potsdamer Mädchentreff "Zimtzicken" oder dem Zentrum Überleben, fragten die tschetschenischen Gäste immer wieder nach der Kontrolle und den Vorgaben des Staates gegenüber sozialen Einrichtungen, da in ihrer Arbeit in Tschetschenien praktisch jeder Schritt mit staatlichen Behörden abgestimmt und genehmigt werden müsse.

Alle gemeinsam reisten wir im Anschluss nach Armenien, denn den Kaukasus sollten nach diesen zwei intensiven Semestern alle gesehen haben. Auch hier besuchten wir soziale Einrichtungen, wie die Child Development Foundation und das Women's Support Center in Jerewan. Die Potsdamer Studentin Josephine fasste ihre Eindrücke wie folgt zusammen: "Die Reise nach Armenien war für mich eine riesige Bereicherung. So viele Eindrücke in so kurzer Zeit! Sich in einem Land zu befinden, dessen Sprache man nicht spricht und dessen Schriftzeichen man nicht kennt, das sich in so vielen Hinsichten vom eigenen Herkunftsland unterscheidet, gab mir eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlen muss, sich in einer neuen Heimat zurechtfinden zu müssen. Spannend war auch die Gruppendynamik innerhalb unserer deutsch-tschetschenischen Reisegruppe, in der Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede eine Rolle spielten. Momente, in denen wir als Gruppe in den Austausch kamen, fand ich besonders wertvoll. Ich hatte den Eindruck, dass die Soziale Arbeit in den verschiedenen Bereichen noch in der Entwicklung steckt, dass die Ansätze jedoch sehr gut sind, vor allem auch vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen."

Ein herzlicher Dank geht an das Auswärtige Amt, das dieses Reallabor, die Reisen wie auch die Verdolmetschung der Seminare finanziell ermöglicht hat sowie an MEMORIAL Deutschland e.V. für die Projektleitung!

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